„Griechenlands Schulden können jetzt nur noch durch
Schulden-Erleichterungs-Maßnahmen tragbar gemacht werden, die weit über das
hinausgehen, was Europa bisher überhaupt in Betracht gezogen hat“.
– Internationaler Währungs-Fond (IWF) –
Griechenlands Lektion für Russland wie auch für China
und den Iran ist, finanzielle Verquickungen mit dem Westen zu vermeiden. Dem
Westen kann man einfach nicht trauen. Washington hat sich dem Ziel einer
wirtschaftlichen und politischen Hegemonie über jedes andere Land verschrieben
und benutzt das Westliche-Finanz-System für das Einfrieren von Guthaben, für
Beschlagnahmungen und Sanktionen. Länder, die zwar eine unabhängige
Außenpolitik betreiben, aber außerdem auch Guthaben im Westen unterhalten,
können nicht erwarten, dass Washington ihre Eigentumsrechte oder ihr Eigentum
respektiert. Washington friert einfach Guthaben ein oder stielt sie, oder – wie
im Falle Frankreichs – verhängt Bußgelder von vielen Milliarden, um
Willfährigkeit gegenüber der Politik Washingtons zu erzwingen. Der Iran z.B.
büßte jahrelang 100 Milliarden Dollar ein, das ist etwa ein Viertel seines
Brutto-Inlands-Produkts, nur weil er auf seinen Rechten innerhalb des
Atomwaffen-Sperrvertrags bestand.
Russische Journalisten fragen mich, ob Obamas
Bereitwilligkeit, einen Deal mit dem Iran zu erreichen, bedeutet, dass dies
auch Hoffnung auf einen Deal mit der Ukraine machen könnte. Die Antwort
ist: Nein. Und noch mehr, – wie ich später noch erläutern werde:
der Deal mit dem Iran bedeutet nichts, soweit es Washington
betrifft.
Vor drei Tagen (am 14.Juli) behauptete ein
hochrangiger Militär-Offizier, General Paul Selva, der dritte innerhalb weniger
Tage, gegenüber dem US-Senat, dass Russland eine „existenzielle Bedrohung für
die US-Nation sei“. Und wenige Tage zuvor hatte der Senat dieselbe Behauptung
vom US-Marine-Commander Joseph Dunford sowie vom Sekretär der US-Air-Force
gehört. Wiederum einige Tage davor warnte der Vorsitzende der Vereinigten
Stabs-Chefs vor einer „gemischten Russischen Bedrohung“.
Washington hat viel Energie darin investiert, die
Ukraine gegen Russland auszuspielen. Der gesamte Konflikt dort geht auf die
Kappe der Washingtoner Marionetten-Regierung in Kiew. Russland wird für alles
verantwortlich gemacht, einschließlich der Zerstörung des Flugzeugs der
Malaysischen Airline. – Washington hat falsche Anschuldigungen benutzt, um die
EU in Sanktionen gegen Russland hineinzuzwingen, – Sanktionen, die eigentlich
nicht in Europas Interesse liegen. Und da Washington erfolgreich ganz Europa
nötigen konnte, dessen wirtschaftlichen und politischen Beziehungen mit
Russland zu schaden und in eine Konflikt-Situation mit Russland zu treten, ist
Washington sicherlich nicht an einer Beruhigung der Situation in der Ukraine
interessiert. Sogar wenn Washington das „wollen“ würde, – Washingtons gesamte
Position beruht auf nichts anderem als auf Propaganda –, würde es sich selbst
noch nicht einmal verleugnen müssen, um zu einer entsprechenden 'Übereinkunft'
zu kommen.
Trotz alledem sprechen Russlands Präsident und sein
Außenminister weiterhin von den USA und den EU-Vasallen-Staaten Washingtons als
von „unseren Partnern“. Vielleicht sind Putin und Lawrow ja sarkastisch. Ganz
gewiss in der jetzigen Zeit aber ist, dass Washington und seine Vasallen nicht
Partner Russlands sind.
Die Wolfowitz-Doktrin, die Grundlage der US-Außen- und
Militär-Politik ist, besagt: „dass ein Aufsteigen Russlands oder irgendeines
anderen Landes nicht erlaubt sein könne, da die USA die 'Uni-Macht' seien und
irgendwelche Einschränkungen seiner unilateralen Aktionen nicht dulden
könnten“.
Und solange diese Doktrin in Washington vorherrscht,
sind weder Russland noch China oder der Iran (unabhängig von dessen
Atomwaffen-Sperrvertrag) sicher. Und solange der Iran eine unabhängige
Außenpolitik betreibt, schützt auch der Atomwaffen-Sperrvertrag den Iran nicht,
denn jeder signifikante politische Konflikt mit Washington kann neue
'Rechtfertigungen für Sanktionen' nach sich ziehen.
Mit dem Atom-Abkommen mit dem Iran geht bezüglich der
zuvor 'eingefrorenen Westlichen Bilanzen' auch die Wieder-Freigabe der 100
Milliarden Dollar des Irans einher. Gestern hörte ich von einem Mitglied des
Rats für Außenpolitische Beziehungen die Bemerkung, dass der Iran seine
freigegebenen 100 Milliarden Dollar in US-Amerikanische und Europäische Firmen
investieren wolle. Falls der Iran dies tut, gibt sich die Iranische Regierung
nur eine neue Blöße gegenüber Erpressungen. Investitionen irgendwo im Westen
bedeuten lediglich, dass Aktivposten des Irans erneut jederzeit eingefroren oder
konfisziert werden können.
Wenn Obama Leute wie Victoria Nuland, Susan Rice und
Samantha Power entlassen und diese Neokonservativen durch vernünftige
Diplomaten ersetzen würde, würden sich die Aussichten verbessern. Dann hätten
Russland, China und der Iran bessere Möglichkeiten, Einigungen mit den USA zu
erzielen – und zwar unter anderen Bedingungen als unter denen eines
Vasallentums.
Russland und China erachten, nachdem sie sich aus
einem mangelhaft funktionsfähigen kommunistischen Wirtschafts-System erhoben
haben, natürlicherweise den Westen als Modell. Nun scheint es aber so zu sein,
dass China sich Hals über Kopf dem Westlichen Kapitalismus angenähert hat. Bei
Russland ist dies vielleicht nicht so sehr der Fall, doch die
Volkswirtschaftler in diesen beiden Ländern sind von derselben Sorte wie die
neoliberalen Wirtschaftswissenschaftler des Westens, was bedeutet, dass sie
unabsichtlich Diener des Westlichen Finanz-Imperialismus' sind. Obwohl sie der
Meinung sind, dass sie ihrer eigenen Wirtschaft dienen, dienen sie doch in
Wirklichkeit dem Hegemonie-Streben Washingtons.
Mit der Deregulierung, die während des Clinton-Regimes
ihren Anfang nahm, verlor der Westliche Kapitalismus seine soziale
Funktionsfähigkeit. In den USA und darüber hinaus dient der Westlichen
Kapitalismus nicht mehr der Bevölkerung. Der Kapitalismus dient da nur noch
seinen 'Eignern' und den Managern des Kapitals – und niemandem
sonst.
Deshalb ist die Einkommens-Ungleichheit in den USA
jetzt genauso schlecht wie – oder noch schlechter – als während des
„Raubritter-Kapitalismus“ der 1920er Jahre. Die 1930er Regulierung, die den
Kapitalismus zu einem funktionierenden Wirtschaftssystem gemacht hatte, wurde
wieder aufgegeben. Und heutzutage ist der Kapitalismus der Westlichen Welt nur noch
ein Plünderungs-Mechanismus. Der Kapitalismus beutet nicht nur Arbeitskraft
aus, – er beutet ganze Länder aus – wie Griechenland, das von der EU gezwungen
wird, seine nationalen Errungenschaften an ausländische Käufer zu verscherbeln.
Bevor Putin und Lawrow noch einmal von ihren
„Amerikanischen Partnern“ sprechen, sollten sie erst einmal den mangelhaften
'guten Willen' Europas gegenüber Griechenland bedenken. Wenn selbst ein
Mitglied der EU ausgeplündert und 'von seinen Landsleuten' in Grund und Boden getrieben
wird, – wie können dann Russland, China und der Iran eine bessere Behandlung
erwarten? Wenn der Westen schon keinen guten Willen gegenüber Griechenland
zeigt, wo ist dann der 'gute Wille' des Westens gegenüber Russland?
Die Griechische Regierung war gezwungen, gegenüber der
EU zu kapitulieren, trotz der Unterstützung, die sie durch ihr Referendum
erhielt, denn die Griechen verließen sich auf den 'guten Willen' ihrer
Europäischen Partner und unterschätzten die Verlogenheit des 'Einen Prozents' dort.
Die Griechische Regierung hatte nicht mit der gnadenlosen Attitüde ihrer
EU-Mitglieds-Regierungen gerechnet. Die Griechische Regierung hatte tatsächlich
geglaubt, dass ihre Experten-Analyse bei den Verhandlungen von Gewicht seien
könnten. Diese Erwartung führte dazu, dass die Griechische Regierung keinen
Sicherungs-Plan im Hintergrund hatte. Die Griechische Regierung 'verschwendete'
keinen Gedanken darauf, wie sie den Euro verlassen und an dessen Stelle ein
Geld- und Banken-System stellen könnte, das vom Euro unabhängig ist. Ihre
fehlende Vorbereitung auf einen Austritt ließ der Regierung keine Alternative
gegenüber den Forderungen der EU.
Die Beendigung der fiskalischen Souveränität ist das,
was auch Italien Spanien und Portugal und eventuell auch Frankreich und
Deutschland bevorstehen könnte. Wie Jean-Claude Trichet, der früher Kopf der
Europäischen Zentral-Bank sagte, habe die Staatsschuldenkrise gezeigt, „dass es
an der Zeit sei, Europa über das strikte Konzept der Nationalität
hinauszubewegen“. Der nächste Schritt in der Zentralisierung Europas ist dann
die politische Zentralisierung. Die Griechische Schuldenkrise wird benutzt, um
das Prinzip zu etablieren, dass eine Mitgliedschaft in der EU bedeutet, dass
das betreffende Land seine Souveränität verloren hat.
Die in den Westlichen Finanz-Medien vorherrschende
Ansicht, dass Griechenland eine 'Lösung' angeboten worden sei, ist Unsinn.
Nichts ist 'gelöst'. Die Bedingungen, denen die Griechische Regierung sich
gefügt hat, machen die Schulden nur noch weniger rückzahlbar. Innerhalb kurzer
Zeit wird diese Streitfrage erneut vor uns stehen. Wie John Maynard Keynes
bereits 1936 verdeutlichte und wie jeder Ökonom weiß, reduziert das
Herunterfahren des Pro-Kopf-Einkommens durch Beschneidung von Pensionen, Arbeitsplätzen,
Löhnen und Gehältern und sozialer Dienstleistungen die Nachfrage und die
Investitionen – und damit das Brutto-Inlands-Produkt, und es führt zu riesigen
Budget-Defiziten, die durch geliehenes Fremdkapital abgedeckt werden müssen.
Und der Verkauf öffentlichen Vermögens an ausländische Interessenten
transferiert den Einkommensfluss der Griechischen Wirtschaft in ausländische
Hände.
Der unkontrollierte nackte Kapitalismus hat sich im
21.Jahrhundert als unfähig erwiesen, irgendwo im Westen Wirtschaftswachstum zu
erzeugen. Folglich schrumpft das Einkommen einer durchschnittlichen Familie.
Die Regierungen verschleiern diese Schrumpfung und unterbewerten die Inflation,
und indem sie arbeitslose Bürger, die keine Jobs finden können, nicht mitzählen,
haben sie auch aufgehört, 'hinzusehen'. Indem sie entmutigte Arbeitskräfte
nicht mitzählen, können die USA eine angebliche Arbeitslosen-Zahl von 5,2%
angeben. Wenn die entmutigten Arbeitskräfte mitgezählt werden würden, ergäbe
sich hingegen eine Arbeitslosenquote von 23,1%. Und eine 23%tige
Arbeitslosenquote hat nichts mit wirtschaftlicher Erholung zu tun.
Auch die vom Westen verwendeten Sprachbegriffe sind
irreführend. Der „Rettungsschirm“ für die Griechen „rettet“ Griechenland nicht.
Dieser Rettungsschirm rettet lediglich die Treuhänder der Griechischen
Schulden. Viele dieser Treuhänder sind nicht einmal die eigentlichen
Kreditgeber Griechenlands. Was dieser Rettungsschirm bewirkt, ist, dass die
Wett-Ergebnisse der New Yorker Hedge-Fonds hinsichtlich der Griechischen
Schulden zur Finanzierung dieser Hedge-Fonds genutzt werden. Das Geld aus dem
Rettungsschirm fließt nicht nach Griechenland sondern an die, die mit den zu
bezahlenden Schulden spekuliert haben. Laut Nachrichten-Medien ist die
'Quantitative Erleichterung' seitens der EZB dazu benutzt worden, Griechische
Schulden bei betroffenen Banken auszulösen, die die Darlehen gewährt haben; und
damit ist die Schuldenfrage kein 'Kredit-Thema' mehr.
China scheint sich der Risikos, in den USA zu
investieren, nicht bewusst zu sein. Die 'Neureichen' Chinas kaufen
Wohngemeinschaften in Kalifornien und vergessen dabei die Erfahrungen
Japanisch-stämmiger Amerikaner, die während der Zeit des
Amerikanisch/Japanischen Kriegs in Internierungslagern untergebracht worden
waren. Chinesische Firmen kaufen US-Firmen und Erz-Bergwerke in den USA. Diese
Akquisitionen machen China bei außenpolitischen Differenzen angreifbar für
Erpressungen.
Der „Globalismus“, der im Westen künstlich stimuliert
wird, ist im Hinblick auf Washingtons Unilateralismus unbeständig. Kein Land
innerhalb des Westlichen Systems kann es sich leisten, politische Differenzen
mit Washington zu haben. Die Französische Bank zahlte 9 Milliarden Dollar
Strafgeld dafür, dass sie sich Washingtons Diktat der Geld-Verleihungs-Praktiken
widersetzte, denn die Alternative wäre gewesen, ihre Zweigstellen in den
Vereinigten Staaten schließen zu müssen. Die Französische Regierung war nicht
in der Lage, die Französische Bank davor zu schützen, von Washington geplündert
zu werden.
Es ist ein Zeugnis für die Sorglosigkeit unserer Zeit,
dass die erhebliche Unvereinbarkeit des Globalismus mit dem Amerikanische
Unilateralismus unbemerkt geblieben ist.
Dr. Paul Craig
Roberts war als Sekretär
Mitarbeiter der Schatzkammer für Wirtschafts-Politik und Teilhaber
und Herausgeber des Wall Street Journals. Er war Kolumnist für Business
Week, Scripps Howard News Service und Creators
Syndicate. Er hat viele Universitäts-Ernennungen. Seim Internet-Kolumnen
haben weltweit viele Leser gefunden.
Roberts' jüngste Bücher sind:
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